Voraussetzungen für Verfahrenskostenhilfe

Verfahrenskostenhilfe

Es steht ein Gerichtsverfahren vor dem Familiengericht an und du weißt nicht, wie du eine Anwältin/einen Anwalt bezahlen sollst, geschweige denn die weiteren Kosten des Verfahrens, wie z. B. die Gerichtskosten, die Kosten des Verfahrensbeistands oder die Kosten für ein Gutachten? Dann mach dich jetzt schlau über die Möglichkeit der Verfahrenskostenhilfe-Bewilligung.

Alle Bürger sollen einen Zugang zum Recht haben

Durch die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe (VKH) gewährleistet der Staat, dass alle Bürger und Bürgerinnen einen Zugang zum Recht haben – und zwar unabhängig vom Einkommen oder Vermögen.©Karola Rosenberg

Hast du immer Anspruch auf VKH? 

Um VKH bewilligt zu erhalten, müssen gemäß § 113 Abs. 1 und § 76 Abs. 1 FamFG sowie § 114 ZPO folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Du kannst die Kosten eines gerichtlichen Verfahrens gar nicht oder nur zum Teil aus eigenen Mitteln aufbringen.
  • Die beabsichtigte Rechtsverfolgung – also das Verfahren – hat eine hinreichende Aussicht auf Erfolg oder du musst dich gegen einen Antrag wehren.
  • Du würdest von dem Verfahren auch dann nicht absehen, wenn dir keine Verfahrenskostenhilfe bewilligt werden würde (sogenannte Mutwilligkeit).

Ferner musst du prüfen, ob du evtl. eine Rechtsschutzversicherung hast, die die Kosten des Verfahrens tragen würde (was insbesondere in kindschaftsrechtlichen Verfahren eher selten der Fall ist).  Außerdem ist die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe auch dann eher weniger aussichtsreich, wenn du einen Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartner hast, der aufgrund der gesetzlichen Unterhaltspflicht für die Kosten aufkommen muss (sogenannter Prozesskostenvorschuss). Das kann evtl. auch der Fall sein, wenn du von diesem Ehegatten schon getrennt lebst.

Einkünfte

Wenn die vorstehenden Voraussetzungen vorliegen, muss geprüft werden, ob du möglicherweise dein Einkommen und/oder gegebenenfalls auch dein Vermögen einsetzen kannst, um die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Einkünfte sind hierbei z.B.

  • Dein Einkommen aus selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit
  • Renten
  • Arbeitslosengeld oder Sozialleistungen (zu diesen Sozialleistungen gehört auch das Kindergeld, das du für die bei dir lebenden Kinder erhältst)
  • Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung oder Kapitalvermögen
  • Unterhaltsleistungen, die du bekommst.
Ausgaben

Bei der Berechnung des einzusetzenden Einkommens werden u. a. folgende Ausgaben berücksichtigt:

  • Steuern, die du auf dein Einkommen zu zahlen hast
  • Sozialversicherungsbeiträge
  • Versicherungsbeiträge (z. B. Kfz-Haftpflicht, private Kranken- oder Unfallversicherungen, Hausratsversicherungen, Gebäude- und Haftpflichtversicherungen
  • Alle Ausgaben, die du erbringen musst, um Einkommen zu erzielen (z. B. Fahrtkosten zur Arbeitsstelle, Kosten für Arbeitsmittel, Beiträge zu Berufsverbänden)
  • Evtl. Raten für Darlehen, die vor Beginn des Verfahrens aufgenommen wurden.
Freibeträge

Außerdem gibt es noch Freibeträge, die dir zustehen und die daher ebenfalls von den Einkünften in Abzug zu bringen sind:

  • Freibetrag für dich als Antragsteller: 619 €
  • Freibetrag für deinen Ehegatten oder Lebenspartner, mit dem du zusammenlebst und sofern dieser kein eigenes Einkommen bezieht: 552 €
  • Freibeträge für jedes unterhaltspflichtige Kind (bis 6 Jahre: 393 €, 7-14 Jahre: 429 €, 15-18 Jahre: 518 €, ab 18: 496 €), wobei das eigene Einkommen der Kinder (z. B. Ausbildungsgehalt, Kindesunterhalt des anderen Elternteils) in Abzug zu bringen sind
  • Bist du berufstätig, gibt es noch einen weiteren Freibetrag von 282 €.

Diese Freibeträge werden jährlich angepasst.

 

Beispiel: Für dein 5-jähriges Kind bekommst du von dem anderen Elternteil monatlich einen Unterhalt in Höhe von 250,00 €. Dann darfst du nur einen Freibetrag in Höhe von 393 – 250 = 143 € als Freibetrag in Abzug bringen. 

 

Jetzt kannst du noch die Kosten deiner Unterkunft und der Heizung in Abzug bringen. Das ist entweder die Miete einschließlich der Heizkosten oder aber die Darlehensrate für dein eigenes Haus.

Sodann gibt es noch verschiedene Mehrbedarfe (z. B. für behinderte Menschen, Alleinerziehende etc.).

Verfahrenskostenhilferechner

Es gibt im Internet verschiedene Prozess- oder Verfahrenskostenhilferechner, mit deren Hilfe du vorab einmal prüfen kannst, ob du evtl. die finanziellen Voraussetzungen für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe erfüllst. Einen VKH-Rechner findest du hier: Prozesskostenhilferechner zur Berechnung der Ratenzahlung (pkh-vkh.de). Du solltest aber auch deinen Anwalt/deine Anwältin bitten, die Voraussetzungen für einen VKH-Antrag zu prüfen und im Zweifel solltest du einfach VKH bei Gericht beantragen. Das Schlimmste, was dir passieren kann ist die Ablehnung des VKH-Antrags.

Einzusetzendes Einkommen

Verbleibt nach dieser Berechnung ein einzusetzendes Einkommen in Höhe von unter 20,00 €, ist dir bei Vorliegen aller weiteren Voraussetzungen Verfahrenskostenhilfe ohne Ratenzahlung zu bewilligen.

Wenn das einzusetzende Einkommen höher ist, kann das Gericht dir zwar ebenfalls Verfahrenskostenhilfe bewilligen, dann aber mit Ratenzahlung.

Raten musst du maximal für 48 Monate leisten. Hast du vorher schon alle von der Staatskasse zunächst übernommenen Kosten des Verfahrens zurückerstattet, endet die Ratenzahlung natürlich auch schon vorher.

Sind die Kosten des Verfahrens allerdings so gering, dass du maximal vier Monatsraten einsetzen müsstest, gibt es keine VKH.

Schwirrt dir jetzt der Kopf von den vielen Zahlen? Wir zeigen dir an einem Beispiel, wie das einsetzbare Einkommen berechnet wird.

 

Nehmen wir an, du bist getrenntlebend, hast ein Kind im Alter von 7 Jahren und bist berufstätig. Für dein Kind bekommst du von dem anderen Elternteil monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 350 €. Das Kindergeld beziehst du. Du wohnst zur Miete und musst monatlich Miete in Höhe von 800 € und Nebenkosten in Höhe von 250 € zahlen. Für einen Kredit, den du vor dem Verfahren aufgenommen hast, zahlst du monatlich 120 € an Raten. Außerdem musst du für Kfz-, Haftpflicht-, Hausrat- und eine Berufsunfähigkeitsversicherung monatlich insgesamt 130 € aufbringen.

Du hast nach Abzug der gesetzlichen Sozialversicherungsbeträge

und der Steuer ein Netto-Einkommen in Höhe von 2.500,00 €

Hinzu kommt das Kindergeld   + 250,00 €

Abziehen kannst du

  • Freibetrag für dich als Partei – 619,00 €
  • Freibetrag, wenn du erwerbstätig bist -282,00 €
  • Freibetrag für dein Kind abzgl. Unterhalt (= 429 €- 350 € =) -79,00 €
  • Kosten der Unterkunft und Heizung -1.050,00 €
  • Kreditraten – 120,00 €
  • Versicherungen – 130,00 €

 In diesem Fall verbleibt ein einsetzbares Einkommen in Höhe von 470,00 €

sodass dir Verfahrenskostenhilfe mit Ratenzahlung bewilligt werden würde.

 Die monatliche Rate beträgt hier die Hälfte von 470 € und somit 235,00 €

 

Vermögen

Zu guter Letzt prüft das Gericht noch, ob du Vermögen hast, also ob du z. B. Ersparnisse, Guthaben aus einer Lebensversicherung oder besondere Vermögensgegenstände hast, die du einsetzen musst. Aber auch hier gibt es Freibeträge. Die Grenze des sogenannten Schonvermögens (= also des Vermögens, dass dir belassen bleiben soll) liegt aktuell bei 10.000 €. Probleme gibt es häufig, wenn ein Einfamilienhaus vorhanden ist, das möglicherweise auch noch unbelastet ist. Hier hat z. B. der BGH (VI ZR 381/44, 18.03.2015) entschieden, dass keine Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen ist.

Regelmäßige Überprüfung

Wie oben schon beschrieben, musst du die Raten an die Staatskasse für maximal 48 Monate leisten. Du bist aber auch verpflichtet, das Gericht bis zum Ablauf von vier Jahren nach Beendigung des Verfahrens darüber zu informieren, wenn sich deine finanzielle Situation erheblich verändert, egal ob nach oben oder unten. Kommst du dieser Auskunftspflicht nicht nach, und zwar auch nicht nach einer Aufforderung des Gerichts, musst du damit rechnen, dass dir die VKH nachträglich gestrichen wird und du dann alle Verfahrenskosten aus eigener Tasche zahlen musst.

Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe

Ergibt die Berechnung, dass du VKH bewilligt erhalten müsstest, kannst du bei Gericht einen Antrag auf VKH-Bewilligung stellen. Zusammen mit diesem Antrag musst du zum einen die Erklärung über deine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einreichen und zum anderen Belege für alle darin aufgeführten Einkünfte und Ausgaben. Einige Gericht verlangen auch die Vorlage eines aktuellen Kontoauszugs. Die Erklärung über deine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse findest du z. B. hier: BMJ – Prozesskostenhilfe

VKH auch bei Vergütungsvereinbarung 

Selbst wenn du mit deinem Anwalt/deiner Anwältin eine Vergütungsvereinbarung getroffen hast, hast du möglicherweise trotzdem die Möglichkeit, VKH zu erhalten.

In diesem Fall muss die VKH OHNE Beiordnung des Rechtsanwalts beantragt werden.

Du beantragst die VKH also für die sonstigen Gerichtskosten. Dazu gehören z. B. die Kosten eines Gutachtens (um die 15.000 €), Gerichtskosten und Kosten des Verfahrensbeistands (2.000 bis 3.000 €) und möglicherweise noch die Kosten eines Umgangspflegers. So kommen schnell 20.000 €-Marke und mehr zusammen.

Wenn du also einen Anwalt hast, den du aus eigener Tasche oder mit Hilfe Dritter bezahlst und du hast trotzdem VKH bewilligt bekommen, übernimmt die Staatskasse zwar nicht deine Anwaltskosten, jedoch die vorstehenden genannten Verfahrenskosten und du musst gegebenenfalls nur einen Teil dieser Verfahrenskosten in Raten zurückzahlen.

Weder du noch dein Anwalt/deine Anwältin müssen Auskunft darüber geben, wer für dich Rechnungen an den Anwalt bezahlt. Das gehört zum Mandantengeheimnis.

Diese Kosten werden nicht übernommen

Die einzigen Kosten, die die Staatskasse bei einer VKH-Bewilligung nicht übernimmt, sind die Kosten der Gegenseite. Das passiert dann, wenn du ein Verfahren verlierst und das Gericht entscheidet, dass du die Kosten des Verfahrens und der Gegenseite zu tragen hast. Die Kosten der Gegenseite, das sind in der Regel die Anwaltskosten der Gegenseite. Die musst du dann in jedem Fall, also ganz egal, ob VKH mit/ohne Ratenzahlung oder mit/ohne Beiordnung eines Anwalts aus eigener Tasche zahlen.

©Karola Rosenberg