Reisen in ein Nicht-EU-Land mit alleinigem ABR

Aufenthaltsbestimmungsrecht

Wenn die Ferien- und damit die Urlaubszeit beginnt, tauchen immer wieder Fragen oder Probleme auf, die sich rund ums Reisen mit Kind drehen.

 

Reisen in ein Nicht-EU-Land mit alleinigem Aufenthaltsbestimmungsrecht – das geht!

Immer wieder kommt die Frage auf, ob man bei einem alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrecht eine Reiseerlaubnis für eine Reise in ein Nicht-EU-Land benötigt. Und die Antwort lautet in den meisten Fällen: NEIN.

Wenn ein Elternteil das Aufenthaltsbestimmungsrecht hat, dann braucht es keine Erlaubnis für eine Reise.  Mit dem Aufenthaltsbestimmungsrecht sind Reisen grundsätzlich unproblematisch möglich.

Das gilt in der Regel auch für eine Auswanderung. Aber wenn es hier eine Umgangsregelung gibt, empfehlen wir vor einer Auswanderung immer eine Beratung durch einen Anwalt oder eine Anwältin – auch wenn ein Aufenthaltsbestimmungsrecht besteht.

Tipp: Die Bestätigung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht und am besten auch eine Übersetzung sollten zu den Reiseunterlagen gehören, einfach um praktische Probleme, z. B. am Flughafen von vornherein auszuschließen.

 

Diese Urlaubsrechte hat der umgangsberechtigte Elternteil

Urlaubsreisen mit dem Kind sind auch für den umgangsberechtigten Elternteil möglich!

Es gibt jedoch einige Voraussetzungen und andere rechtliche Grundlagen, die beachtet werden sollten.

So muss der Zeitraum des Ferienumgangs einvernehmlich abgesprochen oder gerichtlich geregelt sein. Einfach mit dem Kind in den Urlaub fahren geht also nicht – auch nicht bei einem gemeinsamen Sorgerecht.

Außerdem muss der Ferienumgang dem Kindewohl dienen. Wenn also z. B. der regelmäßige Umgang mit Übernachtungen funktioniert, wird in der Regel auch nichts gegen den Ferienumgang und einen Urlaub sprechen. Aber von einem Umgang ohne Übernachtung in einen mehrwöchigen Ferienumgang zu wechseln, ist in der Regel nicht möglich.

Als umgangsberechtigter Elternteil kann man – im Gegenteil zum betreuenden Elternteil – nicht einfach einen Reisepass für das Kind beantragen. Aber man kann die Herausgabe der Ausweispapiere verlangen.

Hinsichtlich der Auswahl des Urlaubsortes gilt für beide Eltern das Gleiche – also egal wer betreuender und wer Umgangs-Elternteil ist: Solange keine Anzeichen für eine konkrete Entführungsgefahr besteht und nicht gerade eine Reise in ein Land mit Reisewarnungen oder besondere Belastungen oder Gefahren geplant ist, kann man den Urlaub genießen.

 

Und hier noch eine Rechtsprechung zum Thema Urlaub:

Auslandsreise ist eine Angelegenheit des täglichen Lebens

Dass man für eine Fernreise nicht unbedingt eine Zustimmung des anderen Elternteils benötigt, hat auch das OLG Frankfurt entschieden.

In diesem Fall war es so, dass die getrenntleibenden Eltern eines minderjährigen Kindes das gemeinsame Sorgerecht haben, ein Wechselmodell besteht und die Ferien hälftig geteilt sind.

Die Kindesmutter erteilte einen Monat vor dem geplanten Urlaub auch die Erlaubnis für die Reise des Kindesvaters mit dem Kind, der neuen Lebensgefährtin und deren Tochter. Doch während des Boardings ruft die Kindesmutter bei der Fluggesellschaft an und untersagt die Reise für das gemeinsame Kind. Die Fluggesellschaft weist die Kindesmutter darauf hin, dass ein richterlicher Beschluss erforderlich sei. Die Kindesmutter erklärt daraufhin, den habe sie bei Gericht angefordert und dieser werde kurzfristig vorgelegt.

Das Kind wird daraufhin von der bewaffneten Bundespolizei aus dem Flugzeug geholt und die Reise wird untersagt. Der Kindesvater, die Lebensgefährtin und deren Tochter steigen ebenfalls aus dem Flugzeug aus und treten die Reise nicht an.

Ein Beschluss geht bei der Fluggesellschaft jedoch nie ein, sondern nur die schriftliche Untersagung der Kindesmutter.

Entscheidung  des OLG

In diesem Fall war die Maßnahme der Bundespolizei rechtswidrig. Es lag weder eine konkrete noch eine drohende Kindeswohlgefährdung vor, die den Einsatz der Bundespolizei gerechtfertigt hätte.

Die Auslandsreise war nach Ansicht des Gerichts auch gar nicht zustimmungspflichtig im Sinne der §§ 1687 Abs. 1, 1628 Satz 1 BGB, so dass der Widerruf der zuvor erteilten Zustimmung unbeachtlich war.

Es habe also keine Angelegenheit von besonderer Bedeutung vorgelegen, weswegen es auf das elterliche Einvernehmen nach § 1627 BGB nicht angekommen sei. Bei der Entscheidung darüber, ob ein Kind im Rahmen eines zwischen den Eltern einvernehmlich vereinbarten Ferienumgangs eine Urlaubsfernreise antrete, handele es sich angesichts der gewandelten Urlaubsverhältnisse der Bevölkerung regelmäßig um eine Alltagsentscheidung, über die der umgangsberechtigte Elternteil allein entscheiden könne (KG Berlin, Beschluss vom 02.02.2017 – 13 UF 163/16).

Allein die subjektive Einschätzung der Kindesmutter, dass Sicherheitsbedenken bestünden, qualifiziere die Angelegenheit nicht zur Sorgerechtssache.

Zwar entscheiden die sorgeberechtigten Eltern bei Angelegenheiten von besonderer Bedeutung gemeinsam. Bei Angelegenheiten des täglichen Lebens entscheidet jedoch der Elternteil allein, bei dem sich das Kind mit Einwilligung des anderen Elternteils aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung aufhält. In diesem Fall fand die Reise während des Ferienumgangs des Kindesvaters und darüber hinaus mit Zustimmung der Kindesmutter statt. Außerdem gab es keine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes.

Die Reise war daher als Angelegenheit des täglichen Lebens einzustufen, über deren Antritt der Kindesvater allein entscheiden konnte. Hierzu gibt es auch Entscheidungen des OLG Frankfurt, Urteil vom 21. Juli 2016 – 5 UF 206/16, des OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29. Mai 2007 – 16 WF 83/07 und des KG Berlin, Beschluss vom 01. August 2016 – 13 UF 106/16.

Der Kindesvater hat hier sogar einen Schadensersatzanspruch aufgrund der von ihn und das minderjährige Kind nicht angetretenen Reise in Höhe der ihm insoweit entstandenen Reisekosten. Und hier kann auch nicht gesagt werden, der Kindesvater hätte ja allein mit der Lebensgefährtin und deren Tochter in den Urlaub fliegen können, da ihm nicht zugemutet werden konnte, sein Kind bei fremden Menschen zu lassen.

Das vollständige Urteil des OLG Frankfurt a. M. vom 17.5.2018 – 1 U 202/17 ist z. B. auf dejure.org zu finden.

©Karola Rosenberg