Darf ein Elternteil allein entscheiden, ob ein Kind am herkunftssprachlichen Unterricht teilnimmt?

Entscheidung Unterricht

OLG Köln (Beschluss vom 16.01.2024 – 21 UF 193/23) bestätigt: Alleinentscheidungsrecht kann bei Streit über Schulfragen auf einen Elternteil übertragen werden – wenn das Kindeswohl dafür spricht.

Hintergrund des Falls

Die Eltern eines Grundschulkindes waren sich uneinig: Soll die Tochter am herkunftssprachlichen Unterricht in der Sprache des Vaters teilnehmen – ja oder nein?

Die Mutter sagte: „Nein, das überfordert sie. Sie hat Konzentrationsprobleme.“
Der Vater sagte: „Doch, sie möchte es selbst – und es stärkt unsere Beziehung.“

Beide haben das gemeinsame Sorgerecht. Doch sie konnten sich nicht einigen. Deshalb landete der Fall vor dem Familiengericht – und schließlich vor dem Oberlandesgericht Köln.

Was ist herkunftssprachlicher Unterricht?

Dabei handelt es sich um zusätzlichen Sprachunterricht, der Kindern mit internationalem Familienhintergrund ermöglichen soll, die Sprache eines Elternteils zu erlernen – in diesem Fall: die Muttersprache des Vaters. Der Unterricht findet außerhalb des regulären Stundenplans statt, ist freiwillig und von den Schulbehörden organisiert.

Was sprach aus Sicht der Mutter dagegen?

Die Mutter hielt den Zeitpunkt für ungünstig:
– Die Tochter sei gerade eingeschult worden.
– Sie habe sich noch nicht vollständig eingewöhnt.
– Es bestünden Hinweise auf Konzentrationsprobleme.
– Der Vater beeinflusse das Kind einseitig.

Was sprach aus Sicht des Vaters dafür?

– Die Tochter selbst wünsche sich den Unterricht.
– Sie sei schulisch stabil und gerne in der Schule.
– Der Sprachkurs könne ihre Beziehung zum Vater stärken.
– Es gebe keine organisatorischen Hürden – z. B. beim Fahrdienst oder OGS-Platz.

Einschätzung des Jugendamts

Das Jugendamt stellte fest:

Die Tochter befindet sich in einem Loyalitätskonflikt, hat aber ein vertrauensvolles Verhältnis zum Vater.

Zudem sah das Jugendamt keine pädagogischen Bedenken gegen den Sprachkurs. Auch eine Überforderung sei unwahrscheinlich – der Kurs sei altersgerecht und praxisnah gestaltet.

Was sagt das Kind selbst?

Die Tochter äußerte in mehreren Gesprächen, sie möchte die Sprache ihres Vaters lernen:
– Bei der gerichtlichen Anhörung,
– im Gespräch mit der Verfahrensbeiständin,
– im Gespräch mit dem Familiengericht.

Nur in einem einzigen Gespräch – geführt im Haushalt der Mutter – äußerte sie Zweifel. Das wurde von Jugendamt und Gericht als Ausdruck ihres Loyalitätskonflikts gewertet, nicht als stabiler Wille.

Entscheidung des OLG Köln

Das Oberlandesgericht Köln bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz:
Der Vater darf allein über die Teilnahme am herkunftssprachlichen Unterricht entscheiden.

Begründung:

– Die Teilnahme ist kindeswohlförderlich (§§ 1628, 1697a BGB).
– Es bestehen keine Hinweise auf Überforderung.
– Der Wille des Kindes ist ernst zu nehmen – auch bei Grundschulkindern.
– Die Mutter hatte keine grundsätzlichen Einwände, sondern nur zeitliche Bedenken.

Das Gericht hielt eine erneute Anhörung des Kindes nicht für erforderlich. Alle relevanten Aspekte lagen bereits vor. Auch das Beschwerdeverfahren wurde ohne weiteren Termin abgeschlossen.

Was bedeutet das für andere Eltern mit gemeinsamem Sorgerecht?

Einigen sich Eltern nicht, kann ein Elternteil beim Familiengericht beantragen, die Entscheidung allein treffen zu dürfen – etwa bei Schulwahl, medizinischen Eingriffen oder Sprachkursen.

Maßstab ist immer das Kindeswohl.
Der Wille des Kindes wird berücksichtigt – je nach Alter und Reife.

Fazit für betroffene Elternteile

Gemeinsames Sorgerecht bedeutet nicht, dass jede Entscheidung nur einstimmig getroffen werden kann.
Gerichte können – wenn es dem Kind dient – einem Elternteil die Entscheidungsbefugnis allein übertragen. Das setzt voraus:

– dass eine unüberwindbare Uneinigkeit besteht,
– dass die Angelegenheit wesentlich ist,
– und dass eine Lösung im besten Interesse des Kindes liegt.

©Karola Rosenberg