Kindeswohlgefahr durch zu viel Bindung?

Kindeswohlgefahr

Gibt es sowas?

Im Familiengericht definitiv. Da ist dann die Rede von einer krankhaften Bindung, einer abhängigen Persönlichkeit oder einer symbiotischen Beziehung zwischen Elternteil* und Kind.

Wie wird dieses „zu viel an Bindung“ definiert?

Die traurige Antwort aus der Praxis lautet: Häufig gar nicht.
Dabei ist es durchaus möglich, komplexe psychologische Zusammenhänge für den psychologischen und/oder pädagogischen Laien verständlich zu erklären.

Das ist die Aufgabe des Gutachtens, wobei sich der oder die Gutachter*in bei der Gutachterstellung an den Richtlinien für die Mindestanforderungen der familiengerichtlichen Gutachter orientieren sollte.

Problematisch, gerade bei dem Thema „Bindung“, ist da eine eher deskriptive Herangehensweise, bei der die Herleitung, durch die das Gutachten-Ergebnis zustande gekommen ist, völlig undurchschaubar und wenig nachvollziehbar wirkt. So gab es z. B. einen Fall, in dem der „Beweis“ für die symbiotische Beziehung war, dass der Sohn sich gerne Mamas Sneaker ausgeliehen hat. Auf diese Weise entsteht schnell der Eindruck, die symbiotische Beziehung sei die Auffang-Diagnose, wenn es sonst nicht viel zu meckern gibt.

Man muss sich immer wieder bewusst machen, dass es bei der Frage, ob eine Kindewohlgefährdung vorliegt, nicht darum geht, was das Beste für das Kind ist oder welcher Erziehungsstil der Beste ist. Es geht um die Frage, ob das Kind ganz konkret gefährdet ist und diese Gefahr so groß ist, dass sie mit psychischer, physischer oder emotionaler Gewalt gleichzusetzen ist.

Die Gefahr muss also so groß sein, dass es in letzter Konsequenz besser für das Kind ist, in einem Heim aufzuwachsen. Und die Nachteile einer Fremdunterbringung (z.B. problematische Bindungsentwicklung) müssen geringer sein als die Probleme in der Familie.

©Karola Rosenberg