Das paritätische Wechselmodell, also die hälftige Betreuung gemeinsamer Kinder durch beide Elternteile, ist ein wiederkehrendes Thema vor den Familiengerichten. Eine wesentliche Voraussetzung für die Anordnung eines Wechselmodells ist das Kindeswohl, wobei insbesondere das Alter der Kinder eine bedeutende Rolle spielt. Je jünger ein Kind ist, desto weniger entspricht das Wechselmodell in der Regel seinen Bedürfnissen. Zudem darf es nicht vorrangig den Interessen der Eltern dienen.
Entscheidung des OLG Dresden: Kein Wechselmodell gegen den Willen eines Elternteils
Das Oberlandesgericht (OLG) Dresden hatte in einer Entscheidung vom 27.04.2022 (21 UF 71/22) einen Antrag des Vaters auf Einführung des paritätischen Wechselmodells abgelehnt.
Der Hintergrund des Falls
Die geschiedenen Eltern haben zwei Kinder im Alter von drei und sechs Jahren. Diese leben hauptsächlich im Haushalt der Mutter.
Bestehende Umgangsregelung
Laut einer gerichtlich gebilligten Vereinbarung hat der Vater alle zwei Wochen von Freitag bis Dienstag Umgang mit den Kindern. Zusätzlich gibt es gesonderte Regelungen für Ferien, Ostern und Weihnachten.
Der Antrag des Vaters
Weniger als ein Jahr nach Abschluss der Vereinbarung beantragte der Vater das Wechselmodell. Er argumentierte, dass er mehr Zeit mit den Kindern verbringen möchte, um eine Entfremdung zu vermeiden. Zudem gebe es keine Kommunikationsprobleme zwischen den Eltern, und der sechsjährige Sohn habe den Wunsch geäußert, den Vater öfter zu sehen.
Die Haltung der Mutter
Die Mutter widersprach dem Antrag mit der Begründung, dass sich die Kommunikation mit dem Vater verschlechtert habe. Zudem würde er sie unter Druck setzen, um das Wechselmodell durchzusetzen.
Gerichtliche Entscheidungen
Erstinstanzliche Entscheidung des Amtsgerichts
Das Amtsgericht wies den Antrag des Vaters zurück, da die Voraussetzungen des § 1696 BGB nicht erfüllt seien. Eine Änderung einer bestehenden Umgangsregelung sei nur zu ändern, wenn triftige, das Kindeswohl nachhaltig berührende Gründe vorliegen. Hier sei nicht erkennbar, dass das Wechselmodell eine signifikante Verbesserung für die Kinder bedeuten würde.
Beschwerde des Vaters und Entscheidung des OLG Dresden
Der Vater legte Beschwerde gegen die Entscheidung ein, blieb jedoch erfolglos. Das OLG Dresden begründete dies wie folgt:
- Bestandsschutz bestehender Regelungen: Umgangsregelungen haben eine gewisse Bestandskraft und sollten nicht ohne triftigen Grund geändert werden.
- Kein Überwiegen der Vorteile: Die Vorteile einer neuen Regelung müssen deutlicher als die Nachteile sein. Dies war hier nicht der Fall.
- Kindeswohl steht im Vordergrund: Das Recht aus § 1684 BGB, wonach jedes Kind ein Umgangsrecht mit beiden Eltern hat, wurde durch die bestehende Regelung bereits gewahrt.
Warum wurde das Wechselmodell abgelehnt?
- Das Wechselmodell ist kein Eltern-Wunschmodell
Die Entscheidung diente nicht der Erfüllung des Wunsches des Vaters nach gleichwertiger Betreuung, sondern musste sich am Kindeswohl orientieren. Ein Wechselmodell kann nicht gegen den Willen eines Elternteils erzwungen werden, wenn es nicht nachweislich zum Wohl des Kindes beiträgt.
- Das Alter der Kinder ist entscheidend
Die Rechtsprechung sieht ein Wechselmodell bei Kleinkindern oft kritisch. Häufige Wechsel und lange Trennungszeiten können erhebliche Belastungen darstellen und sogar ein Entwicklungsrisiko mit sich bringen.
- Kein relevanter Kindeswille
Die Äußerung der Kinder gegenüber dem Verfahrensbeistand, dass sie jeweils sechs Tage abwechselnd bei Mama und Papa verbringen wollen, wurde vom Gericht nicht als hinreichender Grund angesehen. Junge Kinder haben oft ein ausgeprägtes Fairnessbedürfnis und können nicht abschätzen, was ein Wechselmodell langfristig bedeutet.
- Fehlende Kommunikationsfähigkeit der Eltern
Ein funktionierendes Wechselmodell setzt eine gute Kommunikation zwischen den Eltern voraus. Im vorliegenden Fall fand die Kommunikation jedoch nur per E-Mail oder über ein Pendelheft statt. Eine persönliche Kommunikationsebene fehlte, was gegen die erforderliche Kooperationsfähigkeit sprach.
Fazit
Das OLG Dresden hat die Beschwerde des Vaters zurückgewiesen, da die Voraussetzungen für ein Wechselmodell nicht erfüllt waren. Die zentrale Begründung:
- Das Kindeswohl stand nicht im Vordergrund des Antrags.
- Die Kommunikation zwischen den Eltern war unzureichend.
- Das Alter der Kinder sprach gegen eine hälftige Betreuung.
- Die bestehenden Umgangsregelungen waren ausreichend.
©Karola Rosenberg