Kein Wechselmodell gegen den Willen eines Elternteils

Kein Wechselmodell gegen den Willen eines Elternteils

Das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg hat mit Beschluss vom 19.11.2024 (Az. 13 UF 93/24) entschieden, dass ein paritätisches Wechselmodell nicht gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden kann. Diese Entscheidung stützt sich auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) und stellt klar, dass bei der Regelung der Betreuung allein das Kindeswohl im Mittelpunkt stehen muss.

Der Fall: Streit um das Wechselmodell

Die geschiedenen Eltern von zwei Kindern (6 und 8 Jahre alt) hatten bislang eine gerichtlich festgelegte Umgangsregelung. Danach verbrachte der Vater alle zwei Wochen Zeit mit den Kindern – von Freitag bis Dienstag sowie donnerstags für einige Stunden. Der Vater beantragte daraufhin die Anordnung eines paritätischen Wechselmodells, sodass die Kinder zu gleichen Teilen bei beiden Eltern leben sollten.

Die Mutter widersprach diesem Antrag mit der Begründung, dass insbesondere das ältere Kind geäußert habe, weniger Zeit beim Vater verbringen zu wollen. Zudem habe der Vater frühere Bedenken der Mutter in schulischen Belangen ignoriert, was dazu führte, dass die Tochter die 2. Klasse wiederholen musste.

Gerichtliche Einschätzung: OLG bestätigt Entscheidung des Amtsgerichts

Das Amtsgericht wies den Antrag des Vaters ab und erweiterte lediglich das bestehende Umgangsrecht leicht. Gegen diese Entscheidung legte der Vater Beschwerde beim OLG Brandenburg ein – blieb jedoch erfolglos.

Das OLG entschied ohne erneute Anhörung der Kinder oder der Eltern. Es begründete dies damit, dass keine neuen entscheidungserheblichen Erkenntnisse zu erwarten seien und den Kindern eine zusätzliche Anhörung erspart bleiben sollte, um ihnen weitere Loyalitätskonflikte zu ersparen.

Warum lehnte das OLG das Wechselmodell ab?

Das OLG Brandenburg stellte klar, dass die Anordnung eines Wechselmodells an bestimmte Kindeswohl-Kriterien gebunden ist. Dazu gehören:

  • Gleichwertige Erziehungskompetenzen beider Eltern,
  • Stabile Bindungen der Kinder zu beiden Elternteilen,
  • Gleiche Beiträge zur Entwicklungsförderung und zur Kontinuitätssicherung,
  • Ein autonom gebildeter, stetiger Kindeswille,
  • Hohe Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Eltern, um den erhöhten Abstimmungsbedarf des Wechselmodells zu bewältigen.

Im vorliegenden Fall sah das OLG diese Voraussetzungen als nicht gegeben an. Die Eltern hatten bereits erhebliche Schwierigkeiten in der Kommunikation, und eine durchgeführte Elternberatung zeigte keine wesentliche Verbesserung.

Kindeswille nicht entscheidend

Der Vater argumentierte, dass der geäußerte Wille der Kinder nicht entscheidend sein dürfe, da dieser von der Mutter beeinflusst sei. Das OLG hielt dem entgegen, dass die fehlende Kooperationsfähigkeit der Eltern bereits für sich genommen ein Ausschlusskriterium für das Wechselmodell sei. Daher spielte der Kindeswille letztlich keine ausschlaggebende Rolle bei der Entscheidung.

Fazit: Das Kindeswohl entscheidet

Die Entscheidung des OLG Brandenburg bestätigt, dass die Anordnung eines Wechselmodells nicht dazu dient, den Interessen der Eltern gerecht zu werden, sondern sich ausschließlich am Kindeswohl orientiert. Liegt keine ausreichende Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Eltern vor, kommt ein Wechselmodell nicht in Betracht – unabhängig vom Kindeswillen.

Wichtige Leitsätze der Entscheidung:

  • Ein Wechselmodell kann nicht gegen den Willen eines Elternteils gerichtlich angeordnet werden.
  • Maßgeblich sind die Erziehungsfähigkeit der Eltern, ihr Kommunikationsvermögen und die Fähigkeit, eine gemeinsame Lösung für das Wohl des Kindes zu finden.
  • Besteht eine hohe elterliche Konfliktbelastung, führt ein Wechselmodell zu verstärkten Loyalitätskonflikten für die Kinder.

Fazit:

Bei der Anordnung oder Nichtanordnung eines Wechselmodells kann es nicht darum gehen, Erwartungen, Wünsche und Recht der Eltern zu regeln. Allein entscheidend ist, ob die Regelung oder Nichtregelung dem Wohl des Kindes dient. Und wenn – wie hier – nicht angenommen werden kann, dass die Kooperations- und Kommunikationsfähigkeiten beider Eltern ausreichen, um zukünftig dem Bedarf einer Abstimmung und Kooperation gerecht zu werden, kommt die Anordnung eines Wechselmodells nicht in Betracht. Auf den Kindeswillen kommt es in diesem Fall nicht mehr an.

Entscheidung:

OLG Brandenburg, 19.11.2024, 13 UF 93/24

 

©Karola Rosenberg